Stellungnahmen zu Gesetzesentwürfen: Hilfetelefongesetz

Referentenentwurf eines Gesetzes zur Errichtung und zum Betrieb eines bundesweiten Hilfetelefons “Gewalt gegen Frauen” (Hilfetelefongesetz)

Seitens der Sektion Rechtspsychologie erfolgen folgende Anmerkungen zum Referentenentwurf „Hilfetelefongesetz“: Wie bisherige Erfahrungen und Untersuchungen zeigen stehen der Bedarf und die Sinnhaftigkeit von Opferberatungsangeboten außer Frage. Vor diesem Hintergrund ist die Einrichtung eines bundesweiten Hilfetelefons zu begrüßen.

Unter praktischen Gesichtspunkten erscheint jedoch fraglich, ob die hohen Ziele und Anforderungen an die Ausgestaltung des Angebots – wie die Qualifikation der Beraterinnen, Mehrsprachigkeit und 24stündige Erreichbarkeit – unter ökonomischen Gesichtspunkten realisierbar sind.

Zudem besteht vielerorts bereits ein breitgefächertes Opferhilfeberatungsangebot für Frauen, so dass eine darüber hinausgehende Verbesserung des Hilfeangebots durch die geplante Maßnahme fraglich erscheint. Daher ist auch aus unserer Sicht eine wissenschaftliche Evaluation der Inanspruchnahme des Hilfetelefons notwendig, wie es § 5 des Referentenentwurfs zum Hilfetelefongesetz auch vorsieht.

Bedenklich erscheint allerdings, dass sich mit einer Begrenzung des Angebots auf Frauen und deren Umfeld eine Tendenz in der Praxis zur Vernachlässigung von Beratungsangeboten für Männer als Opfer fortzusetzen scheint. Zwar zeigen bisherige Untersuchungen, dass männliche (Trauma-)Opfer seltener Hilfeeinrichtungen aufsuchen. Unklar ist jedoch nach wie vor, ob dies Geschlechtsstereotypen oder strukturellen Aspekten, wie das Fehlen von spezialisierten Hilfsangeboten für Männer, geschuldet ist. Es darf nicht übersehen werden, dass Studien darauf hinweisen, dass deutlich mehr männliche als weibliche Traumaopfer von unmittelbar nach dem erlittenen Trauma geleisteter Hilfe profitieren würden (Ludewig, Praxis der Rechtspsychologie 2010, S. 325, 335 ff.). Vor diesem Hintergrund ist zu überdenken, ob der Adressat eines Hilfetelefons, das als Erst-/Basisangebot ein breites Spektrum von Opfern erreichen möchte, nicht auch auf Männer als Opfer von Gewalt ausgeweitet werden muss.

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