Qualitätsstandards für psychologische Gutachten

Diagnostik- und Testkuratorium der Föderation Deutscher Psychologenvereinigungen

verabschiedet am 18. Oktober 2017

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Vorwort

Dieses Dokument wurde im Auftrag der Föderation Deutscher Psychologenvereinigungen vom Diagnostik- und Testkuratorium (DTK) erstellt. Mitglieder des Diagnostik- und Testkuratoriums zum Zeitpunkt der Texterstellung waren: Prof. Dr. Markus Bühner, Dr. Tom Frenzel, Prof. Dr. Carmen Hagemeister, Prof. Dr. Nina Heinrichs, Prof. Dr. Martin Kersting (Vorsitzender), Dipl.-Psych. Fredi Lang, Dr. Gerd Reimann und Prof. Dr. Matthias Ziegler. Grundlage der Erstellung der Qualitätsstandards für psychologische Gutachten waren vor allem die folgenden beiden Dokumente:

  • „Standards psychologischer Gutachten“. Empfehlungen der Arbeitsgruppe „Standards psychologischer Gutachten“ im Auftrag des Berufsverbands Deutscher Psychologinnen und Psychologen (BDP), 2012. Arbeitsgruppenmitglieder: Prof. Dr. Klaus Kubinger, Prof. Dr. Karl Westhoff, Prof. Dr. Marie-Luise Kluck
  • „Qualitätsstandards für psychodiagnostische Gutachten“ (Version 2.2). Empfehlungen der Arbeitsgruppe „Qualitätsstandards für psychodiagnostische Gutachten“ im Auftrag der Deutschen Gesellschaft für Psychologie (DGPs), Dezember 2011. Kommissionsmitglieder: Prof. Dr. Lothar Schmidt-Atzert (Vorsitz), Prof. Dr. Susanne Buch, Dr. Karin Müller, Prof. Dr. Andreas Seeber, Prof. Dr. Rolf-Dieter Stieglitz und Prof. Dr. Renate Volbert

Das DTK bedankt sich für hilfreiche Anmerkungen und Vorschläge von Prof. Dr. Andrea Abele-Brehm, Dipl.-Psych. Dr. jur. Anja Kannegießer, Prof. Dr. Barbara Krahé und Prof. Dr. Renate Volbert zu einer früheren Fassung des vorliegenden Dokuments.

1. Einleitung

Der Text benennt Qualitätsstandards für psychologische Gutachten. Diese Standards sind als Mindestanforderungen an ein psychologisches Gutachten zu verstehen. Die vorliegenden Standards ersetzen die „Richtlinien für die Erstellung Psychologischer Gutachten“ der Föderation Deutscher Psychologenvereinigungen von 1988.

Die Qualitätsstandards dienen

  1. Anbieterinnen und Anbietern von psychologischen Gutachten als Leitfaden für die Erstellung von psychologischen Gutachten,
  2. Auftraggeberinnen und Auftraggebern als Maßstab zur Ausschreibung von psychologischen Gutachten sowie zur Bewertung von Angeboten psychologischer Gutachten,
  3. Personen, die von Gutachten betroffen sind oder Gutachten als Informationsquellen nutzen, als Maßstab zur Bewertung von psychologischen Gutachten sowie
  4. Personen, die z.B. im Rahmen eines Obergutachtens oder einer methodenkritischen Stellungnahme die Qualität von psychologischen Gutachten bewerten, als Maßstab zur Bewertung dieser Gutachten.

Damit tragen die Standards zum Schutz vor unsachgemäßen Gutachten bei.

Im Einzelfall ist zu prüfen, ob in spezifischeren Regelungen, beispielsweise für familien- oder strafrechtliche Gutachten, weitere Standards formuliert sind. Diese sind ergänzend zu berücksichtigen.

2. Definition

Ein psychologisches Gutachten dokumentiert ein wissenschaftlich fundiertes Vorgehen und beantwortet eine von einer Auftraggeberin / einem Auftraggeber vorgegebene Fragestellung (oder mehrere Teilfragestellungen). Die Fragestellung betrifft bestimmte Aspekte des Erlebens und Verhaltens von einer Person oder mehreren Personen. Die Fragestellung wird im Rahmen des nachfolgend beschriebenen diagnostischen Prozesses beantwortet. Im Gutachten werden dieser Prozess und die Beantwortung der Fragestellung nachvollziehbar dargestellt. Die im Rahmen der Begutachtung eingesetzten Methoden werden so beschrieben, dass sie nach wissenschaftlich akzeptierten Gütekriterien beurteilt werden können.

3. Anforderungen an psychologische Gutachten

Das Ziel der Begutachtung ist die Beantwortung der Fragestellung. Zu diesem Zweck wird ein psychologisch-diagnostischer Prozess durchgeführt. Dieser Prozess besteht aus mehreren, im Anschluss aufgeführten Schritten. Zu beachten ist, dass es psychologisch-diagnostische Prozesse gibt, die diese Phasen einmal durchlaufen. Es gibt aber auch psychologisch-diagnostische Prozesse, in denen mehrere aufeinander aufbauende diagnostische Schleifen erfolgen (z.B. in der Rechtspsychologie, Berufsberatung oder klinisch-psychologischen Diagnostik), die jeweils die hier aufgeführten Elemente beinhalten. Zu den einzelnen Prozess-Schritten der Begutachtung gehören:

  • das Nennen der Fragestellung(en) der Auftraggeberin / des Auftraggebers,
  • die Herleitung der psychologischen Fragen,
  • die Planung und Begründung der Informationserhebung mit qualitativ hochwertigen und angemessenen psychologischen Methoden,
  • die Begründung und (Vorab-)Festlegung der Entscheidungsstrategien, die bei der Begutachtung beachtet werden; dabei ist zu beachten, dass bei psychologisch-diagnostischen Prozessen, die in mehreren aufeinander aufbauenden diagnostischen Schleifen erfolgen, die Integration aller erhobenen Daten im letzten Schritt auf Basis evidenz-basierter Begründungen erfolgt
  • die Durchführung der Untersuchung(en),
  • die Auswertung der Untersuchung(en),
  • die transparente, differenzierte und korrekte Darstellung der Ergebnisse unter Berücksichtigung der Messgenauigkeit (Reliabilität) und Gültigkeit (Validität) der Methoden,
  • die Ableitung von Schlussfolgerungen aus den Ergebnissen,
  • die Beantwortung der psychologischen Fragen und
  • die Beantwortung der Fragestellung(en) der Auftraggeberin / des Auftraggebers.

Für den diagnostischen Prozess in der Gutachtenerstellung werden, passend zur jeweiligen Fragestellung, wissenschaftliche Theorien, Verfahren und empirische Erkenntnisse genutzt.

Nur wenn ein Gutachten in der Darstellung des Vorgehens nachvollziehbar ist, kann beurteilt werden, ob der Prozess der Begutachtung nach wissenschaftlichen Kriterien durchgeführt wurde. Damit nachvollziehbar wird, auf welcher Grundlage Schlussfolgerungen gezogen werden, muss für jede im Gutachten mitgeteilte Information bzw. jedes Ergebnis angegeben werden, aus welcher Informationsquelle sie/es stammt. Es muss auch eindeutig erkennbar sein, was die Schlussfolgerungen sind, die die Gutachterin / der Gutachter selbst zieht.

3.1 Auftragsklärung und Auftragsannahme

Die Gutachterin / der Gutachter muss vor Auftragsannahme prüfen, ob

  1. der Auftrag ethisch verantwortbar ist und er die rechtlichen Vorgaben erfüllt,
  2. bei ihr / ihm die nötige Sachkunde zur Beantwortung der Frage vorliegt inklusive der Kenntnisse relevanter rechtlicher Regelungen,
  3. im Allgemeinen genügend wissenschaftliche Erkenntnisse und geeignete Methoden zur fundierten Beantwortung der Frage verfügbar sind und
  4. weitere fachfremde Gutachten zur Beantwortung der Fragestellung notwendig sind.

Für den Fall, dass die Gesamtfragestellung oder eine Teilfragestellung von der Gutachterin / vom Gutachter nicht beantwortet werden kann, muss die Gutachterin / der Gutachter die Begutachtung ablehnen bzw. – soweit dies rechtlich möglich und vertretbar ist – die (Teil-) Fragestellung mit der Auftraggeberin / dem Auftraggeber so abwandeln, dass sie beantwortet werden kann.

Sofern eine Auftragsklärung erforderlich ist, muss die Gutachterin / der Gutachter der Auftraggeberin / dem Auftraggeber verständlich vermitteln, wie sie / er den Auftrag verstanden hat.

Sofern erkennbar ist, dass die Auftraggeberin / der Auftraggeber Erwartungen an die Durchführung oder das Ergebnis des Gutachtens hat, die nicht mit dieser Richtlinie vereinbar sind, soll die Gutachterin / der Gutachter ggf. vorab informieren, dass:

  • der Aussagekraft des geplanten psychologischen Gutachtens zeitliche und inhaltliche Grenzen gesetzt sind,
  • stets höchstmögliche Objektivität angestrebt wird,
  • der Begutachtungsprozess ergebnisoffen ist.

Ob das Gutachten schriftlich und/oder mündlich erstattet wird, ist – soweit möglich – im Rahmen der Auftragsklärung mit der Auftraggeberin / dem Auftraggeber zu vereinbaren.

3.2 Herleitung der Psychologischen Fragen

Vor Beginn der Untersuchung formuliert die Gutachterin / der Gutachter Psychologische Fragen und dokumentiert diese. Diese Psychologischen Fragen sind konkret formuliert, kurz und allgemeinverständlich (und dabei wissenschaftlich korrekt) begründet und umfassen ggf. bereits Festlegungen zur Ergebnisauswertung (z.B. kompensatorische oder konjunktive Entscheidungsstrategien). Hypothesen, die sich erst im Prozess der Begutachtung ergeben, sind ebenso darzulegen und zu begründen. Entsprechendes gilt für die Wahl der zur Prüfung dieser Hypothesen verwendeten Verfahren und die hypothesenprüfende Ergebnisauswertung.

3.3 Auswahl der Verfahren

Die Gutachterin / der Gutachter hat eine begründete Auswahl der diagnostischen Methoden und Verfahren zu treffen, mit denen sie / er die zur Beantwortung der psychologischen Frage(n) notwendigen Informationen erheben will. Dabei darf sie / er nicht mehr Informationen erheben, als zur Beantwortung der Fragestellung oder zur fallbezogenen Hypothesenbildung erforderlich sind.

Die Gutachterin / der Gutachter muss die Auswahl der diagnostischen Methoden und Verfahren sowie die Begründung für deren Auswahl dokumentieren. Die Auswahl der Verfahren erfolgt passend zur Fragestellung und zu den Gegebenheiten des Einzelfalls. Das Vorgehen folgt einem hypothesenbildenden und -testenden psychodiagnostischen Urteilsbildungsprozess, der in der Regel multimethodal gestaltet wird. Bei Verfahren, die die Gutachterin / der Gutachter nicht selbst entwickelt hat (z.B. messtheoretisch fundierte Fragebogen und Tests sowie ggf. Interviewleitfäden und Verfahren zur Verhaltensbeobachtung und -beurteilung), werden die Autorinnen / Autoren, und das Erscheinungsjahr des Verfahrens sowie ggf. die Version (z.B. Auflage) angegeben. Für selbst konstruierte oder nicht in der Literatur verfügbare diagnostische Methoden und Verfahren ist anzugeben, wie sie konstruiert wurden und auf welchen wissenschaftlichen Grundlagen sie beruhen.

Der Verfahrensbeschreibung muss zu entnehmen sein, wie der Einsatz des Verfahrens zur Beantwortung der Fragestellung beiträgt. Sofern mehrere Teilfragestellungen unterschieden werden, ist eine Zuordnung der Verfahren zu den einzelnen Teilfragestellungen vorzunehmen. Für die Auswahl der Verfahren sind insbesondere inhaltliche / konzeptionelle Gründe entscheidend. Das Gutachten muss eine Begründung (z. B. Quellennachweis oder geteilte Expertenmeinung im Sinne der evidenzbasierten Praxis) dafür enthalten, warum die mit dem Verfahren erfassten Informationen für die Beantwortung der psychologischen Frage relevant sind. Darüber hinaus sind bei der Anwendung standardisierter Verfahren solche Verfahren auszuwählen, die nachweislich über eine hohe Qualität verfügen. Diesbezüglich sollte sich die Verfahrensauswahl an den Hauptgütekriterien (insbesondere Objektivität, Reliabilität sowie Validität) und Nebengütekriterien (insbesondere Zumutbarkeit und Unverfälschbarkeit) des Verfahrens orientieren. Hinweise zur Beurteilung der Qualität von messtheoretisch fundierten Fragebogen und Tests finden sich z. B. in den Beurteilungsrichtlinien des Diagnostik- und Testkuratoriums der Föderation Deutscher Psychologenvereinigungen (in der jeweils aktuellen Auflage, zum Zeitpunkt der Publikation dieser Standards: 2009). Sofern eine normorientierte Interpretation der mit dem Verfahren erhobenen Werte vorgesehen ist, sind bei der Verfahrensauswahl Qualitätsmerkmale der dem Verfahren zugrundeliegenden Eichstichprobe zu berücksichtigen. Diese muss zur Fragestellung passen, die Stichprobe muss u. a. hinreichend umfassend sein und die Daten müssen hinreichend aktuell sein. Bei der Begutachtung von Personen aus sozialen Randgruppen oder von Angehörigen von Minoritäten ist ferner die Repräsentativität der Normstichprobe für diese Gruppe bei der Bewertung der Verfahrensergebnisse zu berücksichtigen. Bei der Verwendung von Selbstbeurteilungsverfahren bei Menschen in extremen Lebenssituationen (z. B. Langzeitinhaftierten oder Patientinnen / Patienten in geschlossenen psychiatrischen Einrichtungen), sind ggf. auch Probleme veränderter sozialer Bezugsgruppen zu berücksichtigen.

3.4 Psychologische Untersuchung

Die Gutachterin / der Gutachter muss vor Beginn der psychologischen Untersuchung prüfen, ob die zu begutachtende Person (oder zu begutachtenden Personen) überhaupt bzw. mit welchen Einschränkungen psychologisch untersucht werden kann. Sie / er muss die untersuchte Person und ihre gesetzlichen Vertreterinnen / Vertreter angemessen über den Ablauf (inkl. voraussichtlicher Dauer) und die Ziele der anstehenden Untersuchung informieren. Hierzu gehört eine (ggfs. vorläufige) Darstellung, wer welche Untersuchungen wann und wo durchführt bzw. an den Untersuchungen mitwirkt oder auch nur anwesend ist.

Die Durchführung und Auswertung der Verfahren sowie die Interpretation der Verfahrensergebnisse muss den jeweiligen Anwendungsregeln entsprechen. Diese Regeln sind in allgemeinen Lehrbüchern oder in den Verfahrenshinweisen beschrieben oder wurden bei selbst entwickelten Verfahren vorab festgelegt und dokumentiert. Abweichungen von den Regeln sind zu dokumentieren und zu begründen.

Die nachvollziehbare Dokumentation der Untersuchung ist zugleich Bestandteil des Gutachtens.

3.5 Ergebnisse der psychologischen Untersuchung

Im Gutachten müssen die Ergebnisse der psychologischen Untersuchung verständlich, nachvollziehbar und adressatengerecht erläutert werden. Es ist anzugeben, auf welchem Verfahren ein Ergebnis basiert. Zentrale Fachbegriffe sind zutreffend und allgemein verständlich zu erklären.

Sofern messtheoretisch fundierte Fragebogen und Tests eingesetzt wurden, für die Reliabilitätswerte und Streuungen (Standardfehler) bekannt sind, müssen dafür die Reliabilität und die Konfidenzintervalle angeben werden. Die Ergebnisse normorientierter, messtheoretisch fundierter Tests oder Fragebogen sind sprachlich verständlich in Kategorien darzustellen (z.B. in den fünf Kategorien „unterdurchschnittlich“, „unterdurchschnittlich bis durchschnittlich“, „durchschnittlich“, „durchschnittlich bis überdurchschnittlich“ und „überdurchschnittlich“). In jedem Fall muss allgemeinverständlich erläutert werden, was die angewandten Kategorien bedeuten, so dass die Leser des Gutachtens verstehen, wie die Ergebnisse im Vergleich zur Normgruppe einzuordnen sind. Entsprechendes gilt, falls Messwerte auf Kriterien oder Werte vorheriger Testungen bezogen werden (kriterienorientierte oder ipsative Messung). Werden Unterschiede zwischen zwei Messwerten aus messtheoretisch fundierten Fragebogen und Tests interpretiert oder Veränderungen solcher Messwerte über die Zeit, sind diese Unterschiede messfehlerkritisch zu prüfen. Die meist ohne Fachkenntnis schwer nachvollziehbare rechnerische Auswertung der Ergebnisse messtheoretisch fundierter Fragebogen und Tests muss für Fachleute nachprüfbar sein und sollte im Anhang des Gutachtens erläutert werden. Zu diesen Erläuterungen gehören die Messwerte, die entsprechenden Normwerte, Berechnungen von Konfidenzintervallen, kritischen Differenzen oder weitere Berechnungen zur psychometrischen Einzelfalldiagnostik.

Im Gutachten muss dokumentiert werden, ob die Untersuchung wie geplant durchgeführt wurde. Abweichungen vom geplanten Ablauf müssen angegeben werden.

Sofern Interviews durchgeführt wurden, sollen zu besonders bedeutsamen Ergebnissen im Gutachten auch die Fragen und die Antworten des Interviews wiedergegeben werden. Die Wiedergabe von Fragen und Antworten ist insbesondere bei gutachterlichen Fragestellungen notwendig, bei denen dargelegt werden muss, dass die Antworten suggestionsfrei erlangt wurden.

3.6 Aus den Ergebnissen abgeleitete Schlussfolgerungen 

Aus den Ergebnissen werden Schlussfolgerungen gezogen, mit denen die psychologischen Fragen beantwortet werden.

Die Schlussfolgerungen werden nach (vorab) festgelegten Entscheidungsstrategien bzw. einem vorab festgelegten Urteilsbildungsmodell gezogen. Sie sind nachvollziehbar darzustellen, und es muss jederzeit der Unterschied zwischen der Ergebnisdarstellung und der Schlussfolgerung eindeutig erkennbar sein. Darüber hinaus muss deutlich werden, welche Bedingungen gegeben sein müssen, damit die Schlussfolgerungen gültig sind.

Für die Schlussfolgerungen müssen alle relevanten Ergebnisse berücksichtigt werden. Sofern sich einzelne Ergebnisse widersprechen, ist dies offenzulegen und zu diskutieren. Es muss deutlich werden, wie mit den widersprüchlichen Informationen umgegangen wird. Nicht Aufklärbares ist im Gutachten zu benennen.

3.7 Beantwortung der Fragestellung

Die Fragestellung der Auftraggeberin / des Auftraggebers ist vollständig zu beantworten. Das Gutachten vermeidet Aussagen zu Sachverhalten, die nicht zur Fragestellung gehören, es sei denn, dies ist ethisch geboten. Wenn sich die Fragestellung (auch) auf Maßnahmenvorschläge bezieht, so müssen diese konkret im Hinblick auf die Zielsetzung beschrieben werden. Für die Entscheidungsstrategien und die Darstellung gelten die in Abschnitt 3.6. dargestellten Vorgaben. Sollten bei den Schlussfolgerungen aus den Ergebnissen nicht aufklärbare Widersprüche aufgetreten sein, ist hier die Auswirkung auf die Beantwortung der Fragestellung und eine mögliche Einschränkung der Aussage des Gutachtens zu vermerken.

4. Formale Gestaltung

Über die in den Punkten 3.1 bis 3.7 genannten Aspekte hinaus umfasst ein schriftliches Gutachten die folgenden Elemente

  • Name, akademischer Titel und Adresse der Gutachterin / des Gutachters,
  • Name und Adresse der Auftraggeberin / des Auftraggebers,
  • die Fragestellung der Auftraggeberin / des Auftraggebers,
  • Name(n) und Geburtsdatum / Geburtsdaten der untersuchten Person(en),
  • ggf. herangezogene zusätzliche Informationsquellen (z. B. Akten, Epikrisen),
  • ggf. beauftragte Zusatzgutachten,
  • das jeweilige Datum der Untersuchung(en),
  • das Datum der schriftlichen Abfassung des Gutachtens,
  • die rechtsverbindliche Unterschrift des Gutachters,
  • ein Nachweis der im Gutachten verwendeten Fachliteratur inklusive Quellennachweise der eingesetzten Verfahren.

5. Beurteilung des Gutachtens

Die Qualität eines Gutachtens bestimmt sich auf zwei Ebenen:

  1. Qualität des gutachterlichen Handelns und Schlussfolgerns,
  2. Qualität der Abfassung des schriftlichen Gutachtens.

Fehler auf der ersten Ebene können durch eine einwandfreie Darstellung auf der zweiten Ebene nicht wettgemacht werden. Sie können allenfalls einer Nachbesserung zugänglich sein, solange die Grundsätze des wissenschaftlich fundierten Vorgehens, der Transparenz und Nachvollziehbarkeit eingehalten worden sind.

Fehler auf der zweiten Ebene können ebenfalls dazu führen, dass das Gutachten nicht brauchbar oder partiell nicht brauchbar ist, wenn nämlich die schriftliche Abfassung des Gutachtens nicht erlaubt, das methodisch-inhaltliche Vorgehen ausreichend zu beurteilen. Dagegen ist das Nichtbeachten einzelner Anforderungen zur formalen Gestaltung des Gutachtens in der Regel nicht geeignet, die Unbrauchbarkeit eines Gutachtens zu belegen, und kann ebenfalls nachgebessert werden. Umgekehrt garantiert die Einhaltung formaler Anforderungen nicht, dass das gutachterliche Vorgehen als angemessen zu bewerten ist.

6. Literatur

American Psychological Association, Presidential Task Force on Evidence-Based Practice (2006). Evidence-based practice in psychology. American Psychologist, 61(4), 271-285. doi:10.1037/0003-066X.61.4.271

Föderation Deutscher Psychologenvereinigungen (Hrsg.). (1994). Richtlinien für die Erstellung Psychologischer Gutachten. Bonn: Deutscher Psychologen Verlag.

Testkuratorium der Föderation Deutscher Psychologenvereinigungen (2009). TBS-TK. Testbeurteilungssystem des Testkuratoriums der Föderation Deutscher Psychologenvereinigungen. Revidierte Fassung vom 09. September 2009. Report Psychologie, 34, 470-478 sowie Psychologische Rundschau, 2010, 61, 52-56.

Bitte zitieren Sie diesen Text wie folgt: 

Diagnostik- und Testkuratorium der Föderation Deutscher Psychologenvereinigungen. (2017). Qualitätsstandards für psychologische Gutachten.

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