Stiefkindadoption in nichtehelicher Partnerschaft

Die Sektion Rechtspsychologie nahm für den Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen zur Verfassungsbeschwerde in der Frage der Stiefkindadoption in nichtehelicher Partnerschaft als sachverständiger Dritter wie folgt Stellung:

Die Beschwerdeführer leben seit mehreren Jahren in einer nichtehelichen Partnerschaft zusammen. Sie möchten, dass die Kinder der Beschwerdeführerin die Stellung gemeinschaftlicher Kinder von beiden erhalten. Dies ist nach derzeitiger Gesetzeslage nicht möglich, da die Beschwerdeführer nicht verheiratet sind. Dagegen wendet sich die Verfassungsbeschwerde.

Nach derzeitiger Rechtslage knüpft der Gesetzgeber die Möglichkeit der Stiefkindadoption an das Bestehen einer Ehe, § 1741 Abs. 2 BGB. Die Frage aus psychologischer Sicht ist, ob die typisierende Annahme, die Lebensbedingungen in einer rechtlichen verbindlichen Lebensgemeinschaft böten grundsätzlich die bessere Gewähr für kindeswohlverträgliche Lebensverhältnisse, aus der Kindeswohlperspektive psychologisch begründet ist.

Forschungen zeigen ein heterogenes Bild: Es lässt sich aus psychologischer Sicht weder eine generelle Überlegenheit der Ehe noch eine pauschal nachteilige Wirkung des nicht-ehelichen Zusammenlebens für das Kindeswohl feststellen. Zudem liefern die Studien nur Hinweise, da sie überwiegend andere Konstellationen betreffen. Ergebnisse aus dem englischsprachigen Raum scheinen auf Deutschland nicht übertragbar zu sein.

Weiter ist aus psychologischer Sicht zu bedenken, dass Stabilität und Sicherheit, gerade auch in einschneidenden Lebenssituationen (z.B. schwere Erkrankung) besonders bedeutsame Faktoren für die kindliche Entwicklung sind. Hier kann eine rechtliche Regelung Sicherheit schaffen. Die Möglichkeit der rechtlichen Absicherung sozialer Elternschaft fördert auch in komplexen Stieffamilien eine Nivellierung von Unterschieden zwischen gemeinsamen leiblichen Kindern und Stiefkindern.

Natürlich ist auch einzuräumen, dass mit der Adoption für das Kind spätere Unterhaltspflichten gegenüber dem Annehmenden begründet werden können. Aber ohne rechtliche Elternschaft fehlt es an einer Gegenseitigkeit der Beziehung.

Grundsätzlich hat auch der Kindeswille eine große Bedeutung bei der Entscheidung über die rechtliche Absicherung. Dieser ist im Einzelfall zu beurteilen und unterliegt als prognostische Erwägung naturgemäß Unsicherheiten.

Angesichts der heterogenen Studienergebnisse und der zuvor geschilderten psychologischen Erwägungen scheint die typisierende Annahme, die Lebensbedingungen in einer rechtlichen verbindlichen Lebensgemeinschaft böten grundsätzlich die bessere Gewähr für kindeswohlverträgliche Lebensverhältnisse, aus psychologischer Perspektive nicht gerechtfertigt. Vielmehr ist zu befürworten, dass die Möglichkeit einer rechtlichen Absicherung auch für nicht eheliche Lebensgemeinschaften mit einer am Kindeswohl orientierten Einzelfallprüfung geschaffen wird. In der konkreten Konstellation scheinen auf der Basis der vorliegenden Befunde die Vorteile, die mit einer rechtlichen Absicherung verbunden sind, aus psychologischer Sicht zu überwiegen.

 

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