Stellungnahme der Sektion Rechtspsychologie im BDP zur „Dritten Option“

Im Rahmen einer Verfassungsbeschwerde hat der Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen (BDP) die Möglichkeit erhalten, als sachkundiger Dritter nach § 27a BVerfGG zur Thematik der Personenstandseintragung von Intersexuellen Stellung zu nehmen. Die inhaltliche Ausarbeitung der Stellungnahme erfolgte durch die Sektion Rechtspsychologie im BDP.

In dem Verfahren beantragte die beschwerdeführende Person die Eintragung ihres Geschlechts als „inter/divers“. Sie sei intergeschlechtlich geboren und nach ihrem Empfinden weder eine Frau noch ein Mann, sondern empfinde ihre Geschlechtsidentität intergeschlechtlich. Nach derzeitiger Rechtslage ist lediglich eine Eintragung als männlich bzw. weiblich oder keine Eintragung möglich.

Schätzungen zufolge leben in Deutschland 8000 bis 10.000 intersexuelle Menschen und es werden jährlich etwa 150 intersexuelle Kinder geboren. Intersexuelle sehen sich vielfältigen persönlichen, sozialen und rechtlichen Herausforderungen gegenüber. Gerade in den vergangenen Jahren ist dies verstärkt in Wissenschaft, Praxis und Politik diskutiert worden. Bemühungen wurden und werden unternommen, Unterstützungen zu etablieren und (potentielle) Diskriminierungen zu minimieren bzw. verhindern (u.a. NAMSE – Nationales Aktionsbündnis für Menschen mit seltenen Erkrankungen; Interministerielle Arbeitsgruppe „Intersexualität/Transsexualität“). Dies ist ausdrücklich zu begrüßen.

Im vorliegenden Fall geht es der beschwerdeführenden Person um einen Aspekt der Debatte, der personenstandsrechtlichen Behandlung von Intersexualität. Verschiedene Stimmen fordern die Möglichkeit zur Eintragung einer sog. „Dritten Option“ im Personenstandsregister. Aus psychologischer Sicht sollte Intersexuellen die rechtliche Möglichkeit gegeben werden, bei einem entsprechenden Wunsch und Bedürfnis ihr physisches und psychisches geschlechtliche Zugehörigkeitsgefühl auch nach außen hin kenntlich zu machen. Um dem Risiko einer erneuten Diskriminierung zu begegnen, sollte eine intersexuelle Eintragung nur eine Option darstellt, also keine zwingende Verpflichtung, und auch die Wahlmöglichkeit zu einem anderen Eintrag bestehen bleiben.

Die rechtliche Ausgestaltung und Umsetzung eines Anspruchs auf Eintragung einer Geschlechterzugehörigkeit jenseits von „männlich“ oder „weiblich“ wirft jedoch Fragen auf, die nur schwer umfassend beantwortet werden können. Auswirkungen einer frühzeitigen Eintragung als „intersexuell“, möglicherweise von Geburt an, auf die Entwicklung von Kindern sind derzeit nicht sicher einzuschätzen. Auch muss angesichts der heterogenen Gruppe von Intersexuellen die Frage beantwortet werden, welche Form bzw. welcher Begriff eine angemessene Eintragung darstellt. Schließlich besteht die Notwendigkeit, sich auch mit der Stabilität des Wunsches einer nach außen kenntlichen, geschlechtlichen Zuordnung in den Fällen von Intersexualität auseinanderzusetzen.

Im vorliegenden Fall sind die aufgeworfenen Fragen stimmig zu beantworten: die erwachsene, beschwerdeführende Person äußert – autonom, überdauernd und intensiv – den Wunsch, ihre Geschlechtsidentität mit der Eintragung „inter/divers“ oder hilfsweise „divers“ im Personenstandregister äußerlich kenntlich zu machen, so dass die Ermöglichung einer solchen Eintragung aus psychologischer Sicht zu befürworten ist. Diese Möglichkeit kann aber nur begrenzt Allgemeingültigkeit für die Problematik der Personenstandsregelung von Intersexuellen beanspruchen.

Ansprechpartner: Dr. Anja Kannegießer; akannegiesser@bdp-rechtspsychologie.de

Teilen auf: