Stellungnahmen zu Gesetzesentwürfen: Reform des Sorgerechts nicht miteinander verheirateter Eltern

Zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Sorgerechts nicht miteinander verheirateter Eltern nimmt die Sektion Rechtspsychologie im BDP wie folgt Stellung:

Vor dem Hintergrund, dass sowohl in der Rechtsprechung als auch in der Literatur die Regelung des Sorgerechts bei nicht verheirateten Eltern schon lang kontrovers diskutiert wurde und die aktuelle Regelung vielfach kritisiert bzw. 2009 durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte und 2010 durch das Bundesverfassungsgericht  als Verstoß gegen die europäische Menschrechtskonvention bzw. die Verfassung der BRD eingestuft wurde, zeigt sich der vorliegende Gesetzentwurf zur Neuregelung folgerichtig und notwendig.

Die im Entwurf vorgelegte Antragsregelung  zur gemeinsamen Sorge am Maßstab des Kindewohls ist aus familienpsychologischer Sicht zu begrüßen und erscheint insbesondere unter zwei Gesichtspunkten zu befürworten:

Zum einen trägt es dem Umstand Rechnung, dass neuen Untersuchungen zufolge in vielen Fällen die Zustimmungsverweigerung der Kindesmutter zum gemeinsamen Sorgerecht nicht vorranging am Kindeswohl ausgerichtet erscheint. Vielmehr stünden Gründe wie der Wunsch, im Konfliktfall alleine entscheiden zu können, oder Unsicherheit über den Fortbestand der Partnerschaft bei der mütterlichen Entscheidung im Vordergrund.

Zum anderen trägt es dem Umstand Rechnung, dass das rechtliche Konstrukt des gemeinsamen Sorgerechts aus familienpsychologischer Sicht grundsätzlich dem Kindeswohl dient. Denn es bildet das Bedürfnis des Kindes nach Beziehungen zu beiden Elternteilen als „Archetypen“ der Bindungspersonen ebenso ab wie es dem Kind verdeutlicht, dass beide Eltern bereit sind, gleichermaßen Verantwortung zu übernehmen, indem es seine Eltern bei wichtigen Entscheidungen für sein Leben als gleichberechtigt erlebt. Hierbei ist jedoch zu betonen, dass dies nur für ein – weitgehend problemlos ausgeübtes – gemeinsames Sorgerecht gilt. Ein solches setzt ein Mindestmaß an Übereinstimmung in wesentlichen Bereichen sowie eine (halbwegs) tragfähige soziale Beziehung zwischen den Eltern voraus. Ein (extrem) konfliktbehaftet  ausgeübtes Sorgerecht durch beide Elternteile kann und wird in der Regel dem Kindeswohl entgegenstehen. In diesen Fällen ist im Kindeswohlinteresse von diesem Leitbild abzuweichen. Damit sind aber nicht jegliche Fallkonstellationen gemeint, in denen es zu Kontroversen in der Ausübung des gemeinsamen Sorgerechts kommt. Denn an der Sache orientierte Auseinandersetzungen können auch positive Aspekte insoweit beisteuern, wie in der konstruktiven Diskussion regelmäßig mehr Argumente als bei Alleinentscheidungen erwogen werden. Hier kann der hervorgehobene Gedanke der gemeinsamen elterlichen Sorge Signalwirkung für beide Elternteile entfalten, sich um Kommunikation und Verständigung intensiv zu bemühen.

Ausgehend von dem Leitbild der gemeinsamen elterlichen Sorge ist es zu begrüßen, das der vorliegende Gesetzesentwurf die niedrigschwellige „negative Kindeswohlprüfung“ als Maßstab für die familiengerichtliche Prüfung ebenso vorsieht wie ein vereinfachtes und beschleunigtes Verfahren.

In Bezug auf die Ausgestaltung der Mitteilungspflicht an das Sorgeregister führende Geburtsjugendamt erscheint es vor allem unter dem Aspekt direkter Kommunikationswege überzeugender, die Mitteilungspflichten dem Verantwortungsbereich des Familiengerichts zuzuordnen.

 

 

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